Kategorie: R.Liebi
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Einführung in das Hohelied

 

Autor und Entstehungszeit

 
  • Das Hohelied stammt aus der Feder des Königs Salomo (1,1). Er regierte von 1016 - 976 v. Chr. Das Buch Hohelied entstand am Anfang dieser Zeitperiode.
  • Von bibelkritischer Seite wurde die salomonische Autorschaft bestritten, indem u.a. behauptet wurde, dass das Hebräische in diesem Buch Späthebräisch sei. Je nach Kritiker wurde die Entstehungszeit des Hoheliedes auf die Jahre von 700 – 300 v. Chr. datiert. Diese sprachlichen Argumente konnten von diversen Gelehrten jedoch alle wirkungsvoll entkräftet werden. (Aramaismen (doch: Israel hatte Beziehungen zum Aramäischen seit der Patriarchen-Zeit [1Mo 31,47; 5Mo 26,[[2]]]; Gebrauch von she- statt ’asher (vgl. aber akkad. sha, 3. Jahrtausend v. Chr.); zwei angeblich griechische Wörter: ’appirjon = Tragsessel (3,9; > griech. phoreion? > sanskrit paryanka?); pardes = Umzäunung (4,13; > griech. paradeisos??; > pers. pairideza? od. > sanskrit paridhis?). Salomo hatteHandelsbeziehungen mit Indien.Vgl. ARCHER: Einleitung, Bd. II, SS. 423ff.; vgl. die indischen Fremdwörter für Affen und Pfauen in 1Kön 10,22.)
  • In Qumran wurden 4 Hohelied-Handschriften gefunden: 4QCanta, 4QCantb, 4QCantc (alle drei: 30 v. Chr. – 68 n. Chr.); 6QCant (50 n. Chr.)

Bedeutung des Buches

  • Salomo schrieb 1005 Lieder (1. Kö 4,32). Das schönste aller Lieder nannte er „Das Lied der Lieder“ (hebr. shir ha-shirim = das schönste Lied). (Vgl. qodesch ha-qodaschim = das Heilige der Heiligen = das Allerheiligste (2Mo 26,33); König der Könige; Herr der Herren: Off 17,14; Gott der Götter (Jos 22,22) etc.)
  • Der junge König beschreibt in diesem Lied seine in jeder Beziehung erfüllte Liebesbeziehung zu Sulamith, seiner jungvermählten Ehefrau. Salomo und Sulamith sind auch nicht mehr verlobt. Sie stehen vielmehr in einer unauflöslichen Ehebeziehung (vgl. 3,11: „der Tag seiner Vermählung“). Das hebr. Wort für „Braut“ (kallah) bedeutet: 1. Verlobte; 2. frisch Verheiratete; 3. Schwiegertochter (vgl. Whittackers BDB-Lexikon).
  • Das Hohelied hat verschiedene Bedeutungsebenen:
    1. Wörtlich: Die eheliche Liebe zwischen Salomo und Sulamith. Ein Lob auf die Ehe und die Schönheit dieser Beziehung auf allen Ebenen (körperliche und seelische Einheit). Vgl. Heb 13,4: „Die Ehe sei geehrt in allem, und das Ehebett unbefleckt. Hurer aber und Ehebrecher wird Gott richten.“ Das Hohelied ist indirekt eine Verurteilung aller Verdrehungen: voreheliche Beziehung, Ehebruch, Polygamie, Zölibat, Homosexualität etc. Es betont das Schöne der ehelichen Sexualität. Dies stehtim Kontrast zu allem Schmutz. Die Sexualität wird in einer blumigen Sprache der Reinheit beschrieben und vermeidet alles Derbe und Widerliche. Das Hohelied = Ausdeutung von 1. Mo 2,24
    2. Übertragung auf Israels Geschichte: Bildliche Beschreibung der Geschichte Israels von Abraham bis zum 1000-jährigen Reich des Messias. (Vgl. HODDENBAGH: Das Hohelied. Israel / Juda / Jerusalem als Frau Gottes seit dem Bund vom Sinai: z.B. Jer 2; Hos 1-14; Hes 16; 23)
    3. Übertragung auf den Überrest Israels: Der gläubige Überrest nach der Entrückung der Gemeinde wird sich mit dem Messias Jesus verbinden.(Ps 45; Jes 61,10)
    4. Übertragung auf die Gemeinde: Eph 5,22-33: Christus, der Ehemann – die Gemeinde, die Ehefrau (Aus einer anderen Perspektive gesehen ist die Gemeinde heute verlobt (2Kor 11,2). Sie wird in der Zukunft als „Braut des Lammes“ heiraten (Off 19,7-9).)
       
       
  • Neutestamentliche Bezüge zum Hohelied: Mat 9,15; Mark 2,19-20; Luk 5,34-35; Joh 3,29; Mat 22,2ff; 25,1ff.  

Aufbau des Buches

Titel: 1,1

I. Strophe 1 (1,2 – 2,6): Die Freude der Liebe

Refrain: 2,7

II. Strophe 2 (2,8 – 3,4): Die Sehnsucht der Liebe

Refrain: 3,5

III.Strophe 3 (3,6 – 8,3): Die Höhen und Tiefen der Liebe

Refrain: 8,4

IV.Strophe 4 (8,5-14): Die Vollkommenheit der Liebe

Besonderheiten im Hohelied

Salomo und Sulamith

  • Salomo“ (she lomoh = Mann des Friedens; 7x: 1,1.6; 3,6.7.9.11; 8,11.12; vgl. shalom= Friede)
  • Sulamith“ (shulamith = Frau des Friedens; 2x: 6,13.13; vgl. shalom = Friede)
  • Bezeichnungen der Frau: Braut (kallah; 6x: 4,8.9.10.10.12; 5,1): meine Freundin (ra’jathi; 9x: 1,9.15; 2,2.10.13; 4,1.7; 5,2; 6,4); meine Taube (jonathi; 3x: 2,14; 5,2; 6,9); meine Vollkommene (thammathi; 2x: 5,2; 6,9); meine Schwester (’achothi; 5x: 4,9.10.12; 5,1.2); meine Schöne (japhathi; 2x: 2,10.13); du Schönste unter den Frauen (hajaphah banashim; 3x: 1,8; 5,9; 6,1); Fürstentochter (bath nadiv; 7,1); die Reine (barah; 6,9)
  • Bezeichnungen des Mannes: den meine Seele liebt (she’ahavah naphshi; 5x: 1,7; 3,1.2.3.4); mein Freund (re’i; 5,16); mein / dein / ihr Geliebter (dodi / dodekh / dodah; 32x: 1,13.14.16; 2,3.8.9.10.16.17; 4,16; 5,2.4.5.6.6.8.9.9.9.10.16; 6,1.1.2.3.3; 7,9.10.11.13; 8,5.14); König (5x: 1,4.12; 3,9.11; 7,5)

Liebe

  • Wachstum der Liebe in 3 Stufen: 1. „Mein Geliebter ist mein und ich bin sein“ (2,16; die eigene Person steht im Vordergrund) ⇒ 2. „Ich bin meines Geliebten und mein Geliebter ist mein“ (6,3; die eigene Person rückt in den Hintergrund) ⇒ 3. „Ich bin meines Geliebten und nach mir ist sein Verlangen“ (7,11; es geht nur noch um IHN).
  • Refrain (2,7; 3,5; 8,4): Warnung vor verfrühter Liebe ⇒ führt zu Entwicklungsstörungen, schmälert das spätere Eheglück, hochaktuell für die heutige Zeit!
  • Liebe = „Flamme Jahs“ (8,6; jah = Kurzform von Jahwe [ = der Ewige; der Unwandelbare]; einziger Gottesname im Hohenlied)

Natur und Geographie

  • Hinweise auf 23 v erschiedene Pflanzenarten (in der Bibel gesamthaft ca. 110 Arten): Aloe (4,14); Alraune (7,13); Apfelbaum (2,3; 8,5; ⇒ Apfel: 2,3.5; 7,8); Balsambaum (5,1); Dattelpalme (7,7); Dornen (2,2); Edle Weinrebe (Weinstock: 2,13; 6,11; 7,8; Weinblüte: 2,12; 7,12; Trauben: 7,7.8; Traubenkuchen: 2,5; Wein: 1,2.4; 4,10; 5,1; 7,9; Mischwein: 7,2; Most: 8,3; Würzwein: 8,3; Weinberg: 1,6.6.14; 2,15.15; 7,12; 8,11.11.12); Feigenbaum (2,13); Granatbaum (⇒ Granatapfel: 4,3.13; 6,7.11; 7,12); Gras (1,16);; Hennabusch (⇒ Cypertraube = Blumenbüschel des Hennastrauches; 1,14; 4,13); Lilie (2,1; 4,5; 5,13; 6,2.3; 7,2);; Myrrhe (1,13; 3,6; 4,6.14; 5,1.5.5.13); Narde (1,12; 4,13.13); Narzisse (1,17); Olivenbaum ( Salböl: 1,3); Safran (4,14); Scharlachroter Hahnenfuss [nitzah] (2,12); Walnussbaum (6,11); Weihrauchbaum (3,6; 4,6; ⇒ Weihrauchgehölz (4,14); Weizen (7,2); Würzrohr (4,14); Zeder (1,17; 5,16; ⇒ Holz des Libanon: 3,9; Zedernbrett: 8,9); Zimtbaum (4,14); Zypresse (1,17)
  • Hinweise auf 17 verschiedene Tierarten (in der Bibel gesamthaft: ca. 130 Arten): Biene (Honigbiene; Honig: 4,11; 5,1; Wabe: 5,1); Elephant (⇒ Elfenbein: 5,14; 7,4); Felsentaube (1,15; 2,14; 4,1; 5,2.12; 6,9); Fuchs (2,15.15); Gazelle (2,5.7.9.17; 3,5; 4,5; 7,3; 8,9.14); Gelbsteissbülbül (hebr. zamir = „Sänger“) (2,12); Hirsch (2,9.16; 8,14) und Hindin (= Hirschkuh) ( 2,7; 3,5); Kermesschildlaus (Wurm der Kermesschildlaus; ⇒ Karmesinschnur: 4,3); Leopard (4,8); Löwe (4,8); Pferd (1,9); Purpurschnecke (⇒ Purpur: 3,10; 7,5); Rabe (5,11); Schaf (4,1; 6,6); Steinbock (1,12; En Gedi = Steinbocksquelle); Turteltaube (2,12); Ziege (1,8; 4,1; 6,5; s. Zelte Kedars: 1,5)
  • Geographische Angaben: Ein Gedi (1,14); Jerusalem (1,5; 2,7; 3,5.10; 5,8.16; 6,4; 8,4); Sharon-Ebene (2,1); Zion (3,11); Gebirge Gilead (4,1; 6,5); Tirza (6,4); Libanon (3,9; 4,8.8.11; 4,15; 5,15; 7,4); Gipfel des Amana (4,8); Senir (4,8); Hermon (4,8); Karmel (7,5); Cheshbon (7,4); Baal-Hamon (8,11)
  • Jahreszyklus (2,10-14; Alte ELB/RL):(Vgl. HAREUVENI: Ökologie, SS. 20ff)

„10 Mein Geliebter hob an und sprach zu mir: 

Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm! 

11 Denn siehe, der Winter ist vorbei, / der Regen ist vorüber, er ist dahin.(= Regenzeit, 2. Hälfte Oktober – Ende März) 

12 Die Nitzanim [= Roter Hahnenfuss] erscheinen im Lande,(Der rote Hahnenfuss blüht Anfangs April)

die Zeit des Zamir [= Gelbsteissbülbül] ist gekommen,(Der Gelbsteissbülbül (verbreiteter Vogel in Israel) hat im April Paarungszeit. Seine ansonsten monotone Stimme bekommt dann einen melodischen Wohlklang. (zamir = Sänger; bulbul = arab. Sänger).)

und die Stimme der Turteltaube läßt sich hören in unserem Lande.(Paarungszeit der Turteltauben: früh im Mai)

13 Der Feigenbaum rötet seine Feigen,

und die Weinstöcke sind in der Blüte, geben Duft. (= Ende Mai)

Mache dich auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!

14 Meine Taube in den Klüften der Felsen,

im Versteck der Felswände,

laß mich deine Gestalt sehen, laß mich deine Stimme hören;

denn deine Stimme ist süß und deine Gestalt anmutig.“(Paarungszeit der wilden Tauben: Mai – Mitte Juni (Nester in Felsklüften und Höhlen))

Bibliographie

  • ABEGG, M. / FLINT, P. / ULRICH, E.: The Dead Sea Scrolls Bible, The Oldest known Bible translated for the first time into English, San Francisco 1999.
  • ARCHER, G.L.: Einleitung in das Alte Testament, Bad Liebenzell, Bd. I: 1987, Bd. II: 1989.
  • HODDENBAGH, W.: Das Hohelied, Vortrags-Manuskript.
  • HAREUVENI, N.: Ökologie in der Bibel, Neot Kedummim 1974.
  • KEIL/DELITZSCH: Commentary on the Old Testament, Bd. VI, Grand Rapids 1998.
  • MILLER, A.: Betrachtungen über das Lied der Lieder, Neustadt / Weinstrasse, Neuauflage 1962.
  • OUWENEEL, W.J: Das Lied der Lieder, Schwelm 1976.
  • SCHWEFEL, P.: Das Hohelied 1,1-8; Neustadt / Weinstrasse 1969 (Vortrag von 1950).
  • Lied (2,8): qol dodi, qol dodi, qol dodi, hineh zeh ba (2x), medalleg ’al he-harim, meqappetz ’al ha-gva’oth (2x).

Impressum

https://info1.sermon-online.com/german/RogerLiebi/Das_Hohelied_Teil_01_Einfuehrung_20191023.pdf 

Roger Liebi, 18.10.2019