Vorüberlegungen

Im Grunde genommen ist die Auslegung eines Textes die Fortsetzung und Konkretisierung der Arbeit, die der Übersetzer begonnen hat.

Der Weg der Auslegung führt vom Grundtext zur Anwendung eines Textes.

Es entsteht die Frage, wie man den Text der Bibel richtig versteht.

Für die meisten evangelikalen Christen scheiden dubiose Auslegungsmodelle von vornherein als “völlig neben der Mütze” aus, z.B.:

Historisch-kritische Methode

Die historisch-kritische Methode beruht auf der Annahme, dass man mit Hilfe der Literarkritik hinter die "Letztgestalt" des Textes zurückzufragen und die literarischen Abhängigkeiten des Textes herausfinden muss, um die Aussage des Textes überhaupt richtig zu verstehen. Der Text muss also erst einmal einer kritischen Prüfung unterzogen werden; ein Eingreifen Gottes wird dabei nicht beachtet.

Die kritische Untersuchung wird dabei durch drei Dinge bestimmt:

  • Kritik: Sich selbst ein eigenes Bild der tradierten Überliefung machen und sich nicht auf die Selbstaussagen des Textes verlassen
  • Analogie: Unbekanntes wird rein innerweltlich (d.h. ohne Einbeziehen eines übernatürlichen Eingreifen Gottes) - durch Bekanntes gedeutet
  • Korrelation: Alle Ereignisse sind von anderen Geschehnissen abzuleiten und bilden wiederum den Ausgangspunkt für spätere Ereignisse

Der biblische Text wird offensichtlich mit rein menschlichen Mitteln zu erklären versucht, ohne göttliches Wirken oder göttliche Inspiration zu berücksichtigen.

Warum ist das falsch: ... weil wir der Schrift Vertrauensvorschuss geben und uns generell nie über, sondern unter die Schrift stellen.

Rösselsprung-Methode der Zeugen Jehovas

Aneinanderreihen von vielen unterschiedlichen Bibelstellen
 
Warum ist das falsch: ... weil der gesunde Menschenverstand (an den sich Gottes Wort richtet) verbietet, Stellen wahllos aus ihrem Zusammenhang zu reißen

Bibel-Code

Man müsse dazu eine Bibel in hebräischer Sprache verwenden.

Der Text wird als "Bandwurm" aufgereiht, also ohne Absätze und Überschriften.

Wenn man dann anhand verschiedener Zahlenschlüssel Buchstaben überspringt, könne man unterschiedliche Prophezeiungen herausfiltern.

Warum ist das falsch: ... weil die Schrift kein mystisches Geheimwissen, sondern Offenbarung sein will! (Textforschung und Bibel-Code sind unvereinbar!)


Auch ohne theologische Vorbildung sind manche Prinzipien der Schriftauslegung selbstverständlich: 

  • Wir lehnen einen Gedanken ab, wenn er einen logischen Fehler beinhaltet (z.B. einer anderen Bibelstelle widerspricht).
  • Wenn die ersten Leser unser Ergebnis nicht hätten nachvollziehen können, dann ist Vorsicht geboten.
  • Wenn etwas aus dem Zusammenhang gerissen wird, dann sind wir skeptisch (Problem des “Verschenziehens").
  • Uns ist klar, dass die Textgattung (z.B. Poesie oder Lehrbrief) für das Verständnis eine Rolle spielt. Zu unterscheiden sind: Geschichtsschreibung, poetische Texte, Lehrtexte, Prophetie, Sonderformen (Gleichnisse...). Die Apos-telgeschichte z.B. ist kein Lehrbrief: Niemand kann den Heiligen Geist darauf “festnageln”, dass er heute auch so zu wirken hätte. Niemand kann und soll den Auftrag von Paulus wiederholen. Aber 2. Tim 3,16 gilt sicher auch der Apg: “von Gott eingegeben” und “nützlich zur Lehre” nicht „zur Nachahmung“.
  • Wir haben ein Gefühl dafür, was übertragbar ist und was nicht: Wir werden das Zerstückeln einer Frau in 12 Teile nicht für “biblisch” in dem Sinne halten, dass es nachahmenswert wäre, obwohl es in der Bibel steht (Richter 19):

Teilweise sind diese Methoden so “in Fleisch und Blut übergangen”, das wir sie gar nicht mehr hinterfragen. Damit entsteht die Gefahr der Vereinseitigung.

    Anwendung von Texten

Geistliche Prinzipien

  • Erläuterung: Der Leser der Schrift überträgt ein Prinzip, das er im Text entdeckt auf die heutige Situation
  • Beispiel: 
    • Apostelgeschichte 17: In der Missionssituation geht es darum, das Denken von Menschen zu kennen und Brücken zu bauen

Vergleiche ziehen

  • Erläuterung: Die Situation der Personen, die im Text beschrieben werden, entspricht unserer Situation.
  • Beispiel:
    • Johannes 20: verängstigtes Häuflein Jünger bekommt Auftrag der Weltmission... 
    • 2.Samuel 11: David hängt rum und wird damit für Verführung offen...

Typologie (Vorbild)

  • Erläuterung: Eine Person oder ein Geschehen der Heilsgeschichte (v. a. des AT) wird als “Urbild” für Gottes weiteres Handeln verstanden
  • Beispiel: 
    • Hebräer 7: Melchisedek als Typos für Christus
    • 1.Korinther 10,6als Vorbilder für uns
Diese Dinge aber sind als Vorbilder für uns geschehen, damit wir nicht nach Bösem gierig sind, wie jene gierig waren.

Allegorese

Erläuterung: Allegorie = Anders-Reden: dem Wortlaut wird ein anderer geistiger Sinn untergelegt
 

Beispiel:

  • Galater 4,24 (22-31): Frauen (Söhne) Abrahams als Bilder für zwei Bünde
Dies hat einen bildlichen Sinn; denn diese <Frauen> bedeuten zwei Bündnisse: eines vom Berg Sinai, das in die Sklaverei hinein gebiert, das ist Hagar.

=> Allegorese hatte hohen Stellenwert in Kirchengeschichte, darf aber von uns aus nicht zur Begründung von Lehre dienen: Gefahr der Willkür! Wir dürfen der Schrift keinen Sinn unterstellen, den sie gar nicht hat!

Zusammenfassung

Bei Aufforderungen der Bibel (z.B. Imperative der Paulusbriefe) brauchen wir uns nicht erst auf die Suche nach Anwendungen zu machen.

“Wenn sie sich nicht enthalten können, sollen sie heiraten.” (1.Korinther 7,9)

ist heute noch genauso klar wie

“Ehre deinen Vater und deine Mutter...” (2.Mose 20,12).

Bei anderen Aufforderung fällt uns der Analogieschluss nicht schwer:

Betet “für Könige und alle, die in Hoheit sind”! (1.Timotheus 2,1f)

Wir haben keinen König, aber eine Bundesregierung, der dieses Gebet gilt.

Einige Koordinaten:

  • Ein einzelnes (aus Buchstaben bestehendes) Wort ist nicht mehrdeutig, sondern eindeutig (Problem der Griechisch-Anfänger).
  • Die Bedeutung eines Wortes erschließt sich vom Kontext her.
  • Die Bibel legt sich durch die Bibel selbst aus.
  • Man beleuchtet schwierigere Bibelstellen im Lichte derer, die leichter verständlich sind und sich zur gleichen Thematik äußern.
  • Unsere maßgeblichen Lehrer zur Auslegung der Schrift sind die Apostel (Autoren) des NT, insofern sie auf das AT zurückgreifen.
  • Im Zentrum der Bibel steht Jesus Christus. Die Linien der Schrift bündeln sich in seiner Person. Deshalb ist die christozentrische Auslegung der Schrift gemäß.
Die bibeltreue Sicht zum Verständnis und zur Auslegung der Bibel findet sich fixiert in der CHICAGO-ERKLÄRUNG ZUR IRRTUMSLOSIGKEIT DER BIBEL (1978 und 1982), XVIII Artikel.
 
  • Wir bekennen, dass der Text der Schrift durch grammatisch-historische Exegese auszulegen ist, die die literarischen Formen und Wendungen berücksichtigt, und dass die Schrift die Schrift auslegt.
  • Wir verwerfen die Berechtigung jeder Behandlung des Textes und jeder Suche nach hinter dem Text liegenden Quellen, die dazu führen, dass seine Lehren relativiert, für ungeschichtlich gehalten oder verworfen oder seine Angaben zur Autorschaft abgelehnt werden.

Erklärung der Farben

im Bibeltext

Blau Handeln Gottes
Blau Rede Gottes
Rot Betrift mein Leben
Grün

Verheißung / Versprechen

Grün Verheißung / Versprechen
Braun wichtig
Beige wichtig
Türkis Jesus
Gelb Heiliger Geist