Entstehung der Bibel (Kanon)

 
Der Name Bibel kommt von der phönizischen Stadt Byblos.
 
Das Wort Kanon (griechisch) bedeutet Richtschnur, Meßlatte, Katalog. Das Wort Kanon meint hier: Sammlung der biblischen Bücher (im Sinne von Katalog)
 

Ganz grob lässt sich die Entstehung das Alte Testament etwa so darstellen:

 
1. Gott spricht direkt zu Menschen (Noah, Abraham...)
2. Schriftliche Fixierung:
Mose
2. Mo 17,14: Und der HERR sprach zu Mose: Schreibe dies zum Gedächtnis in ein Buch, und lege in die Ohren Josuas, dass ich das Gedächtnis Amaleks ganz und gar unter dem Himmel austilgen werde. 
2. Mo 24,4: Und Mose schrieb alle Worte des HERRN nieder. Und er machte sich frühmorgens auf und baute einen Altar unten am Berg und zwölf Gedenksteine nach den zwölf Stämmen Israels.
Josua 
Jos 24,26: Und Josua schrieb diese Worte in das Buch des Gesetzes Gottes; und er nahm einen großen Stein und richtete ihn dort auf unter der Terebinthe, die beim Heiligtum des HERRN <steht>.
Samuel 
1. Sam 10,25: Und Samuel sagte dem Volk das Recht des Königtums, und er schrieb es in ein Buch und legte es vor dem HERRN nieder. Und Samuel entließ das ganze Volk, jeden in sein Haus.
3. allmähliches Wachstum des alttestamentlichen Kanons (Sammlung der Bücher)
4. Abschluss des alttestamentlichen Kanons vermutlich zur Zeit Esras (um 400 v.Chr)

Anmerkungen:
  • Manchmal wird die sog. Synode von Jamnia bemüht, um ein Datum für den Abschluss des alttestamentlichen Kanons zu finden. Gemeint ist ein Treffen pharisäischer Schriftgelehrter, die über die Bücher der Bibel befanden. Doch mit ziemlicher Sicherheit stand der Umfang des AT schon lange fest. Auf dieser Synode wurde lediglich ihre Kanonizität bestätigt.
  • Dass das Alte Testament schon vor Christus (3.-2.Jh) vorlag, zeigt z.B. u.a. der so genannte Prolog des Siraciten (Einleitung des apogryphen Buches Sirach). Dort steht: “Vieles und Großes ist uns gegeben durch das Gesetz und die Propheten und die anderen, so denselben nachgefolgt” (Luther). Wer sich in der Materie auskennt, bemerkt sofort: Der dreigeteilte Kanon des AT liegt schon vor. Der hebräische Kanon bestand aus 3 Teilen: Gesetz (torah), Propheten (nebiim), Schriften (ketubim).
  • Zum weitaus größten Teil wurde das Alte Testament in Hebräisch  geschrieben, ein kleiner Teil in Aramäisch (z.B. Dan 2,3-7,28).

Für das Neue Testament sieht das Ganze etwa so aus:

 
  1. Augenzeugen erleben das Wirken und Reden Jesu (und schreiben evtl. Kernverse mit (Der bekannte Archäologieprofessor Allan Millard (Liverpool) geht davon aus, dass die Jünger Jesu über die Möglichkeit verfügten, z.B. während der Bergpredigt Kernverse auf Ton-Notiztafeln (“Notebooks”) mitzuschreiben. Die Überlieferung beruhte nicht nur auf mündlicher Weitergabe, wie meist angenommen wird. )).
  2. Autorisierte apostolische Briefe gehen an Privatpersonen oder Gemeinden 
    1. Thes 5,27: Ich beschwöre euch bei dem Herrn, dass der Brief allen [heiligen] Brüdern vorgelesen werde.
  3. Sammlung der Apostelbriefe und Niederschreiben der Evangelien (durch Zeugen; Recherchen durch Lukas.
    Lu 1,1-4: Da es ja viele unternommen haben, eine Erzählung von den Dingen zu verfassen, die unter uns völlig geglaubt werden, so wie es uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind, hat es auch mir gut geschienen, der ich allem von Anfang an genau gefolgt bin, es dir, vortrefflichster Theophilus, der Reihe nach zu schreiben, damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist.
     
Den Schlusspunkt setzt die Offenbarung, die das jüngste Buch des NT darstellt (um 95 n.Chr) und eindeutig abschließenden Charakter hat ([10]).[11]    
Offb 22,18.19: Ich bezeuge jedem, der die Worte der Weissagung dieses Buches hört: Wenn jemand zu diesen <Dingen> hinzufügt, <so> wird Gott ihm die Plagen hinzufügen, die in diesem Buch geschrieben sind; und wenn jemand von den Worten des Buches dieser Weissagung wegnimmt, <so> wird Gott sein Teil wegnehmen von dem Baum des Lebens und aus der heiligen Stadt, wovon in diesem Buch geschrieben ist.
 
In den nachfolgenden Jahrhunderten gab es noch etwas Unsicherheit, welche Bücher als kanonisch zu betrachten sind und welche nicht. Anhand von Aufstellungen (z.B. des Kirchenhistorikers Eusebius oder des Kirchenvaters Origenes u. a. m.) wird deutlich, dass die “Ränder des Kanons” anfangs noch fließend waren, aber der Kern (z.B. die Evangelien) von Anfang an fest stand.

Anmerkungen:

  • Das NT wurde ausschließlich in griechischer Sprache verfasst. Genauer: In Koine-Griechisch, einem populären und einfachen Griechisch, das man mit dem heutigen Englisch als Weltsprache vergleichen kann. Allerdings sind im Schreibstil und Wortschatz der neutestamentlichen Autoren Unterschiede erkennbar. Deutlich ist auch der hebräische Hintergrund der meisten Schreiber. An einigen Stellen finden sich aramäische Zitate [z.B. Matthäus 27,46 (Eli, eli, lama sabachtháni - Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen)].

Entstehung und Abschluss des alttestamentlichen Kanons sind relativ klar nachzuvollziehen (obwohl auch da offene Fragen bleiben). Dies hat vor allem darin seinen Grund, dass das Neue Testament vielfach auf das Alte Testament zurückgreift und es bezeugt/bestätigt (viele alttestamentliche Zitate im Neuen Testament, z.B. Matthäus/Hebräer).
 
Komplizierter verhält es sich mit dem Neuen Testament. Es gibt eben kein “neues Neues Testament”, das auf den Abschluss des neutestamentlichen Kanons verweisen würde. Wichtige Anhaltspunkte zur Kanonizität neutestamentlicher Bücher (z.B. zur Unterscheidung von Apogryphen) sind:
 
  • Das Prinzip der Apostolizität (apostolische Autorität legitimiert zum Schreiben heiliger Schrift)

An mancher Stelle wird buchstäblich sichtbar, dass sich neutestamentlicher Autoren bewusst waren, Heilige Schrift zu Schreiben:

Johannes 1,1: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.

  •  Gegenseitige Bestätigung der neutestamentlicher Schriften:
2. Petr 3,15-17: Und erachtet die Langmut unseres Herrn für Errettung, so wie auch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm gegebenen Weisheit euch geschrieben hat, wie auch in allen Briefen, wenn er in ihnen von diesen <Dingen> redet, von denen einige schwer zu verstehen sind, die die Unwissenden und Unbefestigten verdrehen, wie auch die übrigen Schriften, zu ihrem eigenen Verderben. Ihr nun, Geliebte, da ihr es vorher wisst, <so> hütet euch, dass ihr nicht, durch den Irrwahn der Frevler mit fortgerissen, aus eurer eigenen Festigkeit fallt.
    • Die Paulusbriefe werden als „Schrift“ angesehen: Ein Ausdruck der meist für das Alte Testament steht.
1. Tim 5,17.18: Die Ältesten, die wohl vorstehen, lass doppelter Ehre für würdig erachtet werden, besonders die, die in Wort und Lehre arbeiten. Denn die Schrift sagt: „Du sollst dem Ochsen, der drischt, nicht das Maul verbinden“, und: „Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.“
    • Ein alttestamentliches und ein neutestamentliches Wort werden hintereinander zitiert. Beides wird eingeleitet mit „Denn die Schrift sagt: …“

Inspiration

  • Unter Inspiration versteht man die Einhauchung oder Eingebung des biblischen Textes durch göttlichen Einfluss.
  • Das Selbstzeugnis der Schrift (die Bibel über sich selbst) bestätigt ihre Inspiration (Dort steht das wichtige Wort “theopneustos” = “von Gott eingehaucht”, “gottgehaucht”):
     
2. Tim 3,16: Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in <der> Gerechtigkeit,
 
1. Petr 2,21: Denn hierzu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten, euch ein Beispiel hinterlassend, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt;
  • Die Beglaubigung vorauslaufender Prophetie und nachfolgender Erfüllung bestätigt die Inspiration der Schrift: Weil die Bibel den Anspruch erhebt, göttlichen Ursprungs zu sein, kann man den Wahrheitstest durch die Frage machen:
    • Trifft das ein, was sie vorhersagt?
    • Sind ihre Prophetien wahr?

Verschiedene Inspirationsauffassungen:

Dass die Bibel göttlichen Ursprungs ist, bedeutet nicht, dass es plötzlich “klatsch” gemacht hat, und dann lag ein Buch auf der Erde. Gott setzte menschliche Autoren ein, die den göttlichen Gedanken auch deutlich sichtbar ihren eigenen Stempel aufdrückten.

Wie Inspiration geschah, bleibt ein Geheimnis (wie Gottes Wirken auf dieser Welt überhaupt).

Folgende Sichtweisen werden vertreten:

Personal-Inspiration

Einwirkung des Heiligen Geistes auf die Person der biblischen Autoren (vgl. Realinspiration: Eingebung des sachlichen Inhaltes)
1. Petr 1,10.11: eine Errettung, über welche <die> Propheten nachsuchten und nachforschten, die von der Gnade euch gegenüber geweissagt haben, forschend, auf welche oder welcherart Zeit der Geist Christi, <der> in ihnen <war>, hindeutete, als er von den Leiden, <die> auf Christus <kommen sollten>, und von den Herrlichkeiten danach zuvor zeugte;
 
2. Petr 1,21: Denn <die> Weissagung wurde niemals durch <den> Willen <des> Menschen hervorgebracht, sondern heilige Menschen Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geist.

Verbal-Inspiration

Wörtliche Eingebung der Bibeltexte durch den Heiligen Geist

Keinesfalls ist Inspiration als Diktat vom Himmel zu verstehen. Dagegen spricht v.a.

Lu 1,1-4: Da es ja viele unternommen haben, eine Erzählung von den Dingen zu verfassen, die unter uns völlig geglaubt werden, so wie es uns die überliefert haben, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind, hat es auch mir gut geschienen, der ich allem von Anfang an genau gefolgt bin, es dir, vortrefflichster Theophilus, der Reihe nach zu schreiben, damit du die Zuverlässigkeit der Dinge erkennst, in denen du unterrichtet worden bist.

Inspiration schaltet auch die Person des Schreibers nicht aus, sein subjektives Erleben, seine Kultur, sein Wissen finden Ausdruck in seinem Schreiben.

Dennoch geschah Inspiration auch bis ins einzelne Wort hinein 

Mt 5,18: Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist.
 

Deshalb sprechen wir zu Recht von der Irrtumslosigkeit der Bibel.


Wichtig:
Die Bibel ist nicht Gott. 

Wir glauben der Bibel als einzigartiges Zeugnis der Offenbarung Gottes, aber nicht an die Bibel.

Wir glauben, dass die Bibel (in ihren Urschriften) irrtumslos ist.

Wir glauben an den Gott, den uns die Bibel bezeugt.

Wir leben mit der Bibel, aber haben eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus.

Dabei ist es – menschlich gesprochen – ein kapitales Risiko, dass uns Gott ein Buch in die Hand gibt, denn es unterliegt prinzipiell jeder Schwäche, der auch jedes andere Buch unterliegt:

Möglicher Missbrauch der Bibel

  • Ignoranz

Man lässt die Bibel einfach links liegen. Gottes Wort wird ignoriert und wehrt sich nicht dagegen.

  • Fehlinterpretation
Die Bibel wird versehentlich missverstanden oder absichtlich verdreht, als Materialsammlung für persönliche Ziele ausgeschlachtet...
 
  • Bibliolatrie
Buchanbetung – Buchstabengläubigkeit: Argumentieren mit Bibelstellen, das weder Kontext noch Entstehungssituation der Aussagen berücksichtigt (Extremform des Biblizismus)

Die heutige Form der Bibel

Das Alte Testament ist in deutschen Bibelausgaben (der Vulgata folgend) nicht chronologisch geordnet, sondern thematisch:

  • 5 Gesetzesbücher (Mose)
  • 12 Geschichtsbücher (Josua – Ester)
  • 5 poetische Bücher (Hiob – Hohelied)
  • 17 prophetische Bücher (Jesaja – Maleachi)

Diese Ordnung unterscheidet sich deutlich vom hebr. Kanon:

  • Torah: Gesetz (Pentateuch)
  • Propheten:
    •  vordere (Josua, Richter, Samuel, Könige),
    •  hintere (Jesaja, Jeremia, Hesekiel, Buch der 12)
  • Ketubim: Schriften (alle poetischen Bücher, Ruth, Ester, Daniel, Esra, Nehemia, Chronik (hebr. megillot)) 

Auch das NT ist nicht chronologisch, sondern thematisch geordnet:

  • 5 Geschichtsbücher (Evangelien, Apostelgeschichte)
  • 21 Lehrbücher (Briefe)
  • 1 prophetisches Buch (Offenbarung)

Vers- und Kapiteleinteilungen stammen aus späterer Zeit:

  • Kapitel: Stephan Langton, Bischof von Canterbury (13.Jh.)
  • Verse: Robert Stephanus (Estiné), franz. Verleger und Buchdrucker

Die Hebräer (z.B. zu neutestamentlichen Zeiten) kannten keine Einteilung der Schrift in unserem Sinn. Deshalb war es üblich, jeweils den ersten Vers eines Buches zu zitieren, um anzugeben, um welchen Text es sich handelt:

Genesis 

Da das 1. Buch Mose im Hebräischen mit “Bereshit bara Elohim we ha-schamajim we-et ha-arez...” (“Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde”) beginnt, wird es “Bereshit” (“Im Anfang”) genannt.

Psalm 22

Matthäus (27,46) überliefert uns die letzten Worte am Kreuz: “Eli, Eli, lemá sabachtháni” (“Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?”). Da das die ersten Worte von Psalm 22 sind, kann man davon ausgehen, dass Jesus dort den ganzen Psalm zitiert hat.

 Apogryphen und Pseudepigraphen

Das griechische Wort “apogryph” bedeutet “verborgen” oder “untergeschoben”.

Apogryphen sind nicht-kanonische Schriften, die aber antik-jüdischen oder frühchristlichen Ursprungs sind.

Alttestamentlichen Apogryphen:

  • Sie gehören zur Vulgata und werden von Katholiken für kanonisch, aber von Protestanten für nicht kanonisch gehalten.
  • Sie beschreiben die zwischentestamentliche Zeit.
  • Die bisher ungeklärte Grundfrage: Wie kamen die Apogryphen in die LXX?
  • Viel legendärer Stoff, nicht mit Bibel vergleichbar, aber historisch interessant
  • Nach Luther handelt es sich um “Bücher, so der Heiligen Schrift nicht gleich gehalten und doch nützlich und gut zu lesen sind.”

Neutestamentliche - Apogryphen:

  • auch “Pseudepigraphen” (“eine falsche Überschrift habend”) genannt, weil sie fälschlich Apostelnamen tragen (z.B. Paulusakten)
  • Es gibt unter ihnen ein brauchbares Buch: Didache, der Rest ist zum großen Teil äußerst dubios.
  • Sie befriedigen menschliche Neugierde (Kindheit Jesu, was wurde aus Maria?)
  • großer Qualitätsunterschied zu Büchern des Neuen Testamentes

Erklärung der Farben

im Bibeltext

Blau Handeln Gottes
Blau Rede Gottes
Rot Betrift mein Leben
Grün

Verheißung / Versprechen

Grün Verheißung / Versprechen
Braun wichtig
Beige wichtig
Türkis Jesus
Gelb Heiliger Geist