Einführung in den 1. Korintherbrief

Der 1. Korintherbrief beschäftigt sich mit den realen Problemen einer christlichen Ortsgemeinde. Er zeigt auf, wie konkrete Schwierigkeiten angegangen und gelöst werden müssen. Zudem gibt er viele detaillierte Anweisungen, die grundsätzlich wichtig sind, um an einem bestimmten Ort eine biblische Ortsgemeinde nach Gottes Gedanken darstellen zu können.

Autor

  • Der Apostel Paulus (1. Kor 1,1). Mitabsender ist: Bruder Sosthenes (1. Kor 1,1; vgl. ev. Apg 18,17).

Adressaten

  • Die Gemeinde in Korinth (1. Kor 1,2)
  • Zur Entstehungsgeschichte: Paulus gründete die Korinther-Gemeinde auf seiner dritten Missionsreise (Apg 18 und 1Kor 3,10; Aufenthalt: 50-52 n. Chr.; mehr als 11 Jahre gemäss Apg 18,11.12.18; Teilzeitarbeit bei Aquila und Priscilla: Apg 18,1-3; Missionsarbeit in der Synagoge in 2 Stufen: Apg 18,4-5; Bruch mit der Synagoge: Apg 18,6; neuer Missionsstandort: Haus des Proselyten Titius Justus, neben der Synagoge: Apg 18,7; gewaltiger Durchbruch: Krispus, der Synagogenvorsteher, und seine Familie sowie ein grosse Menge von heidnischen Korinther kommen zum Glauben: Apg 18,8-11; Aufruhr unter dem Prokonsul Gallion: Apg 18,12-17); die Mehrheit aus der Unterschicht (1. Kor 1,26-27), Sklaven (1. Kor 7,21-24); wenige Edle (1. Kor 1,26-27; vgl. Erastus, der Stadtökonom, in dessen Haus die Gemeinde zusammenkam: Röm 16,23; vgl. die Erastus-Inschrift von Korinth!), viele aus dunkelstem Heidentum und aus schlimmster Unzucht (1. Kor 6,9-11).
  • Lage der Stadt Korinth: Am W-Ende der Landbrücke (Isthmus), welche die Halbinsel Peleppones mit dem griechischen Festland verbindet. 3 km vom Meer entfernt. ^ verkehrsgünstige Lage nahe der beiden Häfen von Kenchräa und Lechäon.
  • Um 143 v. Chr. wurde Korinth durch die Römer zerstört und entvölkert. Kurz vor 22 v. Chr.: Neugründung durch Julius Cäsar kurz vor 44 v. Chr.: Veteranen, Freigelassene und Händler siedeln sich an; zur Zeit von Paulus: flächenmässig grösste Stadt von Griechenland (4 km); viele Tempel, viele Sklaven, grosse Gegensätze zwischen arm und reich; Stadt der Prostitution (korinthiazesthai = korinthisch leben = Hurerei treiben).
  • Die Meisten der gläubigen Korinther kamen aus der Unterschicht
  • Obwohl der 1. Korintherbrief sehr ausgeprägt örtliche Schwierigkeiten behandelt, richtet er sich ausdrücklich an alle Gemeinden auf der ganzen Welt (1. Kor 1,2).
  • Die apostolische Lehre des Paulus hatte weltweit in allen Gemeinden Gültigkeit (1. Kor 1,2; 4,17; 11,16; 14,33).

Zeit und Ort der Abfassung

  • Frühjahr 54 n. Chr.
  • Abfassungsort: Ephesus (1. Kor 16,8-9; vgl. Apg 20,16). In Ephesus war Paulus während 3 Jahren (Apg 20,31). Am Ende des Ephesus-Aufenthaltes wurde der 1. Korintherbrief verfasst.
  • Die in 1. Kor 16 erläuterten Reiseziele entsprechen genau den Angaben in Apg 19-20:
    • Mazedonien (1. Kor 16,5; Apg 19,21)
    • Achaja (= Provinz von Korinth; Apg 19,21; 1. Kor 16,5) 
    • Jerusalem (Apg 19,21; 1Kor 16,3)
  • Ab Apg 20,1 setzte Paulus exakt diese Pläne um.

Anlass

  • Stephanas, Fortunatus und Achaikus aus Korinth haben Paulus besucht und haben ihm eine persönliche Unterstützung überbracht (1. Kor 16,15-18).
  • Die Hausgenossen der Chloe haben Paulus über Spaltungen in der Gemeinde informiert (1. Kor 1,11).
  • Die Korinther haben Paulus einen Brief mit konkreten Fragen bezüglich Ehe, Ehelosigkeit, Scheidung (1. Kor 7,1) und Götzenopfer (1. Kor 8,1) geschrieben.
  • Über diese Informationskanäle erfuhr Paulus von den zahlreichen Missständen in Korinth, die er durch den 1. Korintherbrief zu korrigieren suchte (vgl. 1. Kor 5,1; 11,18).
  • Missstände in der Gemeinde: Spaltungen (1. Kor 1,10ff; 3,4; 11,18-19); Eifersüchteleien und Streit (1. Kor 3,3); Liebäugeln mit der Weisheit dieser Welt (1. Kor 1,18ff); Kritik an den verborgenen Gesinnung des Apostels Paulus (1. Kor 4,3-5); ein Fall von schwerer Unzucht (1. Kor 5); fehlende Gemeindezucht (1. Kor 5); Rechtshändel unter Geschwistern (1. Kor 6,4-7); Unklarheiten bezüglich Ehe, Scheidung, Ehelosigkeit etc. (1. Kor 7); Unklarheit im Zusammenhang mit Götzenopfern (1. Kor 8 und 10); Angriffe auf die apostolische Autorität des Paulus (1. Kor 9); Unwürdige Behandlung des Abendmahles (1. Kor 11,20-34); Verwirrung bezüglich des Wirkens des Heiligen Geistes (1. Kor 12-14); Unordnung im Ablauf der Gemeindestunden (1. Kor 14,26-33); Reden der Frauen in der Gemeinde (1. Kor 14,34-40); gewisse Korinther leugneten die Auferstehung (1. Kor 15,12).
  • Die Missstände nahmen tendenziell zu (1. Kor 11,17).

Struktur

Einleitung

  • Begrüssung (1,1-3)
  • Dank für Gottes Werk in Korinth (1,4-9)

I. Glauben und Denken

  • Das Problem der Spaltungen in Korinth (1,10-17)
  • Die Weisheit der Welt und die Weisheit Gottes (1,18 - 2,16)
  • Die fleischlichen Korinther und der Gott wohlgefällige Dienst (3,1- 4,21)

II. Glauben und Ethik

  • Gemeindezucht bei schwerer Sünde (5,1-13).
  • Die Gemeinde als Entscheidungsinstanz bei in Streitfällen (6,1-11)
  • Ehe und Sexualität nach Gottes Plan (6,12 - 7,40)
  • Das Problem der Götzenopfer: Götzen sind Nichtse (8,1-13)

III. Glaube und Dienst für Gott

  • Autorität im Dienst (9,1-27)
  • Götzendienst, eine dämonische Gefahr für die Gemeinde (10,1 - 11,1)
  • Die Stellung von Mann und Frau in der Schöpfung (11,2-19)
  • Das Abendmahl nach Gottes Gedanken (11,20-34)
  • Die Gaben und Wirkungen des Heiligen Geistes (1Kor 12-14)

IV. Glauben und Lehre

  • Die Auferstehung (15,1-58)

Epilog

  • Gottes zukünftiges Werk in Korinth (16,1-18)
  • Grüsse (16)

Einige Besonderheiten

  • Jesus Christus ist HERR (69x kyrios + 1x mara’ ⇒ 70x HERR). ⇒ Die Anerkennung der Autorität des Herrn Jesus ist der Schlüssel zur Lösung aller Unordnung in der Gemeinde!
  • Maranatha (1Kor 16,23) = Aramäisch! marana’ ’atha’ = Unser Herr kommt! (nicht unmögliche Alternativen: maran ’atha’ = der Herr kommt! Oder: Oder: marana’ tha’ = Unser Herr, komm!)
  • Darstellung der Gemeinde: Gemeinde Gottes (1,2); Gottes Ackerfeld (3,9); Gottes Bau (3,9); Gottes Tempel (3,16); Leib Christi (12,13.27)
  • Zur Lehre über Christus: unser HERR (1,2); der Sohn Gottes (1,9); Gottes Kraft (1,24); Gottes Weisheit (1,24); Weisheit von Gott, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Erlösung (1,30); das einzige Fundament der Gemeinde (3,11); der Richter (4,5); unser Passah (5,7); Schöpfer aller Dinge (8,6); der Fels (10,4); das Haupt jedes Mannes (11,3); der Erstling der Entschlafenen (15,20); der letzte Adam, ein lebendigmachender Geist (15,45); der zweite Mensch vom Himmel (15,47); der Himmlische (15,48).
  • Das AT ist für uns Christen geschrieben worden (9,10; 10,6.11).
  • Einziger Brief, der das Thema Abendmahl abhandelt: 10,14-22 und 11,20-34
  • Die eindrückliche Beschreibung der Liebe: 13,1-13
  • Das Geheimnis der Entrückung (15,51ff).
  • Die Echtheit des Briefes wird durch den eigenhändigen Schriftzug des Paulus garantiert (1Kor 16,21-24; vgl. 2Thess 3,17-18; 2,2).

1. Korinther 11,2-16

  • Wenige Symbole im Christentum: Taufe, Abendmahl mit Brot und Wein, Bedeckung / keine Bedeckung, langes / kurzes Haar (vgl. 1. Kor 1,13-17; 10,14-22; 11,17-34; 11,2-16)
  • Die Vorschriften stehen im Gegensatz zu kulturellen Gebräuchen von damals: Judentum: Beim Beten bedecken sich die Männer und auch die Frauen; Griechen: Frauen und Männer bedecken sich nicht beim Beten zu den Göttern; Römer: Frauen und Männer bedecken sich beim Beten zu den Göttern.
  • Vers 2: Überlieferung = griech. paradosis = Überlieferung, Unterweisung; Lob für Gehorsam, ohne genügendes Verständnis; wünschenswert: Gehorsam + Verständnis
  • Vers 3: göttliche Regierungsordnung / Autoritätsordnung: Gott - Christus (als Mensch!) -der Mann - die Frau; gegründet auf der Schöpfungsordnung von 1. Mo 1 und 2 (Gott, der Schöpfer, der Messias nach Ps 8, der Mann, die Frau)
  • Schöpfungsordnung: 1. Mo 1,27: Mann und Frau (w. männlich und weiblich); Mann zuerst erschaffen, Frau wegen des Mannes erschaffen (1. Mo 2,7; 1. Kor 11,8-9; 1. Tim 2,13), Mann erhielt zuerst Gottes Gebote (1. Mo 2,17), Frau danach erschaffen (1. Mo 2,21-22), Frau erschaffen als: 1. „Hilfe“, 2. Entsprechung (1. Mo 2,18); der Mann von einer Frau geboren (1. Mo 2,24; 1. Kor 11,12)
  • Verse 4+7: Mann beim Beten und Weissagen (vgl. 1. Kor 14,2: weissagen = reden zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung): nichts auf dem Kopf haben (griech. kata kephales echo = w. herab des Kopfes haben = [etwas] auf dem Kopf haben, [das von oben herab auf den Kopf gelegt wird])
  • Vers 5: griech. a-kata-kalypto te kephale = nicht-herab-bedeckt [bezüglich] dem Kopf = ohne eine Bedeckung auf dem Kopf zu haben; griech. xyraomai = scheren, rasieren
  • Vers 6: griech. kata-kalypto = herab-bedecken = bedecken (indem man etwas auf dem Kopf hat); griech. keiromai = schneiden, abschneiden, scheren, grasen, weiden; Schlachter 1905: beschneiden; Luther (1912): zerschneiden
  • Vers 10: eine Macht / Autorität (exousia) auf dem Haupt haben = ein Zeichen der Autorität unter der die Frau steht; um der Engel willen (Schauspiel für die Engel; vgl. 1Kor 3,9; Eph 3,10; 1Pet 1,12; Autoritätsproblem in der Engelwelt: Fall Satans, Jes 14,12)
  • Vers 13: Appell an die geistliche Urteilsfähigkeit
  • Verse 14-15: Natürliches Empfinden: langes Haar = Unehre für den Mann; langes Haar = Ehre für eine Frau (vgl. Hohl 4,1; 6,5; 7,5); 2x griech. komaö = das Haar lang tragen; kome = langes Haar (vgl. langes Haar = Schleier)
  • Vers 15: griech. periboleion = w. Herumgeworfenes = Schleier; vgl. 1Mo 24,65 (Mit dem Schleier entzog sich eine Frau den Blicken anderer Männer. ^ Ich bin reserviert für Isaak. ^ Symbol für Hingabe und Treue; die Frau erschaffen, um eine „Hilfe“ /“Ergänzung“ zu sein
  • Vers 16: Wir wollen nichts mit Streitsüchtigkeit zu tun haben.
  • Jer 7,29: Haarschmuck = hebr. nezer = Weihe = ungeschnittenes Haar der Weihe (vgl. den Nasiräer [nazir] in 4Mo 6). Das ehebrecherische Juda soll nichts vorheucheln, sondern vielmehr das Zeichen der Treue wegtun.
  • Bedeckung: Anerkennung der Stellung in der Schöpfung: Führungsaufgabe des Mannes (Unterordnung) ^ “unter“
  • Haar: Anerkennung der Stellung in der Schöpfung: Erschaffen zur Hilfe/Unterstützung in Treue (Zuordnung) ^ „für“

Gedanken zu 1. Korinther 14,34-40

Die Schlussverse von 1. Kor 14 werden heute unter bibeltreuen Christen häufig diskutiert. Es gilt dabei zwei Schwierigkeiten zu vermeiden: Einerseits müssen wir uns im Klaren sein, wie stark wir bewusst oder unbewusst unter dem Einfluss des Zeitgeistes stehen. Anderseits stehen wir immer in Gefahr, die Bibel mit der Brille der Tradition zu lesen. Daher sollten wir allezeit ein doppeltes Bemühen aufweisen, um zurück zur Quelle zu gehen.

Verschiedene Auslegungen

Es gibt heute eine riesige Zahl von Auslegungen zu 1. Kor 14,34-38. Die Vielfalt der Meinungen ist geradezu phänomenal. Es fällt auch auf, wie viele Ideen es gibt, um den Text sagen zu lassen, es gäbe kein Schweigegebot für Frauen in der Gemeinde.
  • 1. Kor 14,34-38 sei eine spätere Einfügung (nicht von Paulus)
    • entspreche nicht dem Stil und der Theologie von Paulus
    • einige wenige griechische Manuskripte setzen 14,34-35 nach V. 40
  • Zitattheorie (T. Schirrmacher): Paulus zitiere lediglich die Meinung der Korinther. Er sei aber vom Gegenteil überzeugt.
  • In 1. Kor 14:34 gehe es lediglich um die Beurteilung der Weissagung in der Gemeinde.
  • In 1. Kor 14:34 gehe es nur um die Beurteilung der Weissagung (V.29). Daran dürften sich die Frauen nicht öffentlich beteiligen.
  • Es gehe hier nur ums Lehren, das Frauen nicht dürfen (1. Tim 2,11-12). Weissagen dürfen sie aber in der Gemeinde gemäss 1. Kor 11,5).
  • In 1. Kor 14,34ff gehe es um eine Gemindebesprechung und nicht um ein Zusammenkommen als Gemeinde zur Auferbauung.
  • 1. Kor 14,34 spiegle lediglich die kulturelle Situation von damals wieder und sei daher nicht verbindlich für heute.

Bibliographie

  • HUNTER, J: Was die Bibel lehrt, 1. Korintherbrief, Dillenburg 1993.
  • MAUERHOFER, E.: Einleitung in das Neue Testament, Vorlesungsscript, 2. Aufl., Basel 1988, SS. 369ff.
  • MAUERHOFER, E.: Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments, 2 Bde., Neuhausen / Stuttgart 1995.
  • MACDONALD, W.: Kommentar zum Neuen Testament, Bd. II, Bielefeld 1989.
  • REMMERS, A.: Das Neue Testament im Überblick, Hückeswagen 1990.
  • UNGER, M.F.: Ungers großes Bibelhandbuch, Asslar 1987.
  • WALVOORD, J.F. / ZUCK, R.B.: Das Neue Testament erklärt und ausgelegt, Holzgerlingen 1990, Bd. V.

Impressum

Roger Liebi, März 2007
15 Achtung: Nicht „Brüder“ (oft = „Geschwister“), sondern „Männer“ im Gegensatz zu „Frauen“.

Erklärung der Farben

im Bibeltext

Blau Handeln Gottes
Blau Rede Gottes
Rot Betrift mein Leben
Grün

Verheißung / Versprechen

Grün Verheißung / Versprechen
Braun wichtig
Beige wichtig
Türkis Jesus
Gelb Heiliger Geist