Der Prophet Hesekiel - Gedanken zu Gottes Herrlichkeit
John F. MacArthur
Weder der Autor, noch sein Buch werden in der Schrift je erwähnt.
Wie ein einsamer Baum auf weiter Flur, so steht Hesekiel im Zentrum der Bibel. Sein Name bedeutet „von Gott gestärkt“, was hinsichtlich seines prophetischen Dienstes, zu dem Gott ihn berufen hatte, wirklich auf ihn zutraf. Oft war er einsam und verlassen und bedurfte somit wirklich der Stärkung Gottes. Hesekiel verwendet Visionen, Prophezeiungen, Gleichnisse, Zeichen und Symbole, um seinem verbannten Volk die Botschaft Gottes zu verkünden und diese zu dramatisieren. Wer Hesekiel sein Ohr lieh, wurde ebenfalls von Gott gestärkt.
Autor und Abfassungszeit
Verfasst von Hesekiel während seines Dienstes ca. 593 bis 570 v. Chr. Wie sein Zeitgenosse Daniel wurde Hesekiel in Juda geboren, starb aber in Babylon. Im Jahre 597 v. Chr. wurde er deportiert. Zusammen mit anderen Exilanten erlebte er die letzten Jahre Jerusalems in der Fremde. Im fünften Jahre seiner Gefangenschaft berief ihn Gott, den im Exil lebenden Juden als Prophet zu dienen. Sein Dienst dauerte zweiundzwanzig Jahre. Das nach ihm benannte Buch wurde wahrscheinlich während seiner Jahre als Prophet verfasst. Die letzte datierte Prophetie (Hes 29,17) stammt aus dem Jahr 572 oder 571 v. Chr.; folglich wurde das Buch irgendwann nach diesem Datum fertig gestellt.
Schlüsselpersonen
- Hesekiel - ein Prophet für die Israeliten in der babylonischen Gefangenschaft (Hes 1,1-48,35)
- Die Führer Israels - verführten Israel zum Götzendienst (Hes [[2]],26-8,12; 9,5-6; 11; 14,1-[[6]]; 20,1-3; 22,23-29)
- Hesekiels Ehefrau - eine Frau, deren Name nicht genannt wird; sie symbolisiert die künftige Zerstörung des von Israel geliebten Tempels (Hes 24,15-27)
- Nebukadnezar - König von Babylon; Gott benutzte ihn, um Tyrus, Ägypten und Juda zu erobern (Hes 26,7-14; 29,17-30,10)
Hintergrund und Umfeld
Zur Zeit Hesekiels wurde die Welt von der damaligen Supermacht Babylon beherrscht. Nachdem die Weltmächte Assyrien (612-605v. Chr.) und Ägypten (605 v. Chr.) besiegt waren, wandte Nebukadnezar seine Aufmerksamkeit geringeren Staaten zu. Die Niederlage Judas und die Zerstörung Jerusalems fanden in drei Phasen statt. Die erste ereignete sich 605 v. Chr. Die Babylonier eroberten Jerusalem und verschleppten die Kriegsgefangenen, unter denen auch Daniel war, nach Babylon. 598 v. Chr. belagerte Nebukadnezar Jerusalem nochmals. 597 v. Chr. f el die Stadt, was zu der Gefangennahme von einer Gruppe von 10.000 Juden, zu denen auch Hesekiel gehörte, führte. Die endgültige Zerstörung Jerusalems und die Eroberung Judas einschließlich der dritten Wegführung geschah dann zehn Jahre später (586 v. Chr.). Hesekiels Dienst umfasst religiöse, inländische und prophetische Elemente. Geboren unter König Josia, war Hesekiel Zeuge einer echten aber sehr kurzlebigen geistlichen Erweckung, die das ganze Land erfasste. Josias Tod 609 v. Chr. ebnete die Bahn für Judas endgültigen und abgrundtiefen Fall in die Sünde. In den letzten Jahren (609-586v. Chr.) kamen und gingen vier verschiedene Könige (Joahas, Jojakim, Jojachin und Zedekia). Hesekiel erlebte die tragischen Folgen oberflächlicher Religion.
In Babylon angekommen ging das Leben für Hesekiel und die anderen Gefangenen weiter. Sie wurden aber eher wie Immigranten und nicht wie Kriegsgefangene behandelt. Es war ihnen erlaubt, Landwirtschaft zu betreiben und sie genossen auch noch andere Vorzüge. Hesekiel besaß ein eigenes Haus (Hes 3,24; 20,1). Es gab starke „inländische Versuchungen“, die den Verlust des verheißenen Landes als etwas Geringes darzustellen suchten. Auf dem Kriegsschauplatz der Propheten kämpfte Hesekiel gegen falsche Propheten, die dem Volk im Namen des Herrn verkündigten, dass Gott Jerusalem nie und nimmer völliger Zerstörung preisgeben würde, und dass sie gewiss bald nach Juda zurückkehren könnten. Sie ließen sich auch durch eindeutige Prophezeiungen, die genau das Gegenteil belegten, nicht von ihrem verführerischen Kurs abbringen. Mit seinen ersten Prophezeiungen konfrontierte Hesekiel das Volk und ihre falsche Hoffnung. Er prophezeite: Jerusalem würde zerstört werden und das Exil würde lange dauern. Im Jahre 586 v. Chr. erreichte Hesekiel die Nachricht der Zerstörung Israels. Danach verlagerte sich das Schwergewicht seiner Botschaft und er machte den Leuten Hoffnung auf die Zeit nach dem Exil. Israel würde wiederhergestellt werden in seinem Heimatland und der endgültige Segen des messianischen Königreichs würde folgen.
Schlüssellehren
- Die Aufgabe der Engel - sie führen auf unterschiedliche Art und Weise Gottes Pläne und Absichten hinter den Kulissen aus und veranschaulichen dadurch die Herrlichkeit Gottes (Hes 1,5-25; 10,1-22), indem sie das Böse zerstören (1. Mo 19,12-13) und Gott anbeten (5. Mo 32,43; Jes 6,2-4; Offb 4,6-8)
- Die Sündhaftigkeit Israels (Hes 2,3-7; 5,6; 8,9.10; 9,9; 1. Sam 8,7.8; 2. Kö 21,16; Ps 10,11; 94,7; Jes 6,9; 29,15; Jer 3,25; Mi 3,1-3; 7,3; Joh 3,20.21; Apg 13,24; Offb 2,14)
Gottes Wesen
- Gott ist herrlich (Hes 1,28; 3,12.23; 9,3; 10,4.18-19; 11,23; 43,4.5; 44,4)
- Gott ist heilig (Hes 1,26-28; 8 - 11; 43,1-7)
- Gott ist gerecht (Hes 18,25.29; 33,17.20)
- Gott ist langmütig (Hes 20,17)
- Gott ist vorhersehend (Hes 28,2-10)
- Gott ist zornig (Hes 7,19)
Christus
Israels Triumph durch das Werk des Messias wird an mehreren Stellen im Buch Hesekiel illustriert. Christus wird dargestellt als „ein Ästlein von dem Wipfel des hohen Zedernbaumes“ (Hes 17,22-24). Diese messianische Prophetie verdeutlicht Christi Abstammung von der königlichen Linie Davids. Der Zweig, ein Sinnbild, das in der Schrift immer wieder für den Messias verwendet wird, zeigt, wie Christus als „zartes Reis“, das auf dem Berg Israel gepflanzt wird (Hes 34,23-24; 37,24-25; Jes 4,2; Jer 23,5; 33,15; Sach 3,8; 6,12). Hesekiel beschreibt dann Christus, wie er in Gestalt einer „majestätischen Zeder“ wächst, um Israel Schutz in seinem Schatten zu bieten. Christus wird auch als Hirte, der über seine Schafe wacht, beschrieben (Hes 34,11-31). Hesekiel schildert aber auch, wie der Hirte Gericht übt über alle, die sein Volk schlecht behandeln (Hes 34,17-24; Mt 25,31-46).
Schlüsselworte
- Menschensohn: Hebräisch ben´adam (Hes 2,1; 3,17; 12,18; 21,2; 29,18; 39,17; 44,5; 47,6) - wird über einhundertmal im Bezug auf Hesekiel verwendet. Dieser Begriff unterstreicht einerseits den Unterschied zwischen Gott dem Schöpfer und seinem Geschöpf, andererseits wird Hesekiel als ein repräsentatives Mitglied des menschlichen Geschlechts identifiziert. Hesekiels Leben diente den in der babylonischen Gefangenschaft lebenden Hebräern als Gegenstandslektion (vgl. Hes 1,3; 3,4-7). Hesekiel wurde durch Wort und Tat zum „Zeichen“ für das Haus Israel gemacht (Hes 12,6). Auch Jesus wurde Menschensohn genannt, denn auch er war eine repräsentative Figur - der „letzte Adam“, ein lebensspendender Geist (Mt 8,20; 1. Kor 15,45). Der Titel Menschensohn spielt auch auf Daniels Vision, wo er ein himmlisches Wesen „gleich dem Menschensohn“ sah, an (Dan 7,13). Insofern beleuchtet dieser Titel das Geheimnis der Inkarnation, Christus, ganz Mensch und ganz Gott. Als Gott-Mensch wurde Jesus der sündhaften Menschheit zu einem herrlichen Zeichen gesetzt (Lk 2,34).
- Götzen: Hebräisch gillulim (Hes 6,4; 8,10; 14,6; 20,24; 23,30; 36,18; 44,10) - ist mit einem Verb, das „rollen“ bedeutet, verwandt (1. Mo 29,3; Jos 10,18). Das Wort bezieht sich auf „formlose Dinge“ wie Steine oder Baumstämme aus denen Götzen gefertigt wurden (Hes 6,9; 20,39; 22,3; 1. Kö 21,26). Der Prophet Hesekiel benutzt dieses Wort ca. vierzigmal, um Götzen zu beschreiben. Er redet immer verächtlich über sie, weil diese falschen Götter Israel vom wahren und lebendigen Gott weggeführt hatten (Hes 14,5). Das Wort gullulim ist vielleicht auch mit einem ähnlichen hebräischen Begriff, der „Mistkügelchen“ bedeutet, verwandt. Spätere jüdische Kommentatoren machten sich über gullulim lustig und bezeichneten sie als „Mistgötzen“, d.h. sie waren genauso wertlos wie Mist oder Dreck.
- Herrlichkeit: Hebräisch kabod (Hes 1,28; 3,23; 9,3; 10,18; 31,18; 43,2; 44,4) - stammt von einem hebräischen Verb, das den Wert oder das Gewicht von etwas angab. Es kann sich auf etwas Negatives beziehen wie z.B. im Fall von Sodom. Dort beschreibt es das Maß der Sünde, das dazu führte, dass die ganze Stadt der völligen Zerstörung wert geachtet wurde (1. Mo 18,20). Meistens finden wir das Wort aber im Zusammenhang mit Größe und Pracht (1. Mo 31,1). Als Substantiv wird es manchmal mit Ehre übersetzt (1. Kö 3,13). Gottes Herrlichkeit wird im AT als Wolke (2. Mo 24,15-18), die den Tempel erfüllt (1. Kö 8,11), beschrieben. Die angemessene Reaktion auf Gottes Herrlichkeit ist sich niederzuwerfen wie Hesekiel es tat (Hes 3,23; 43,3).
Gliederung
Prophezeiungen über den Untergang Jerusalems (Hes 1,1 - 24,27)
- Vorbereitung und Beauftragung Hesekiels (Hes 1,1 - 3,27)
- Verkündigung von Jerusalems Verurteilung (Hes 4,1 - 24,27)
Prophezeiungen über Vergeltung an den Nationen (Hes 25,1 - 32,32)
- Ammon (Hes 25,1-7)
- Moab (Hes 25,8-11)
- Edom (Hes 25,12-14)
- Philistäa (Hes 25,15-17)
- Tyrus (Hes 26,1 - 28,19)
- Sidon(Hes 28,20-24)
- Exkurs: Die Wiederherstellung Israels (Hes 28,25-26)
- Ägypten (Hes 29,1 - 32,32)
Vorkehrungen für Israels Buße (Hes 33,1-33)
Prophezeiungen über Israels Wiederherstellung (Hes 34,1 - 48,35)
- Wiederversammlung Israels ins Land (Hes 34,1 - 37,28)
- Entfernung der Feinde Israels aus dem Land (Hes 38,1 - 39,29)
- Wiedereinführung des wahren Gottesdienstes in Israel (Hes 40,1 - 46,24)
- Neuverteilung des Landes Israel (Hes 47,1 - 48,35)
Zur gleichen Zeit an einem anderen Ort auf der Erde …
Aesop, ein ehemaliger Sklave aus Phrygien, verfasst seine berühmten Fabeln. Griechische Siedler bringen den Olivenbaum nach Italien.
Häufig auftauchende Fragen
1. Wenn wir Hesekiel lesen, stellt sich uns oft folgende Frage: Beschreibt er mit seinen Worten buchstäbliche Begebenheiten oder verbirgt sich dahinter eher ein symbolischer Sinn, eine Idee oder ein Prinzip? Können wir anhand einiger Beispiele im Buch Hesekiel die Unterschiede aufzeigen?
Hesekiels Leben, seine Erfahrungen und Taten stellten für sein Publikum lehrreiche Lektionen dar. Bei einigen handelte es sich um Visionen mit einer ganz spezifischen Bedeutung. In den ersten drei Kapiteln des Buches wird uns z.B. von einer sehr ausführlichen Vision berichtet. Er sah einen Sturmwind, himmlische Wesen und eine essbare Schriftrolle; gleichzeitig wurde er auch in den prophetischen Dienst berufen.
Hesekiel führte auch einige ungewöhnliche und höchstsymbolische Handlungen aus, mit dem Ziel, seine Botschaft zu verdeutlichen oder eine Warnung zu vermitteln. In Hesekiel 4,1-3 wird er angewiesen, etwas auf einen Ziegelstein zu zeichnen und eine Eisenpfanne zu benutzen, um die dem Volk Israel drohende Gefahr darzustellen. Weitere Gegenstandslektionen waren: symbolische Schlafhaltung (Hes 4,4-8), das Herstellen und Backen von Belagerungsbrot (Hes 4,9-17) und das Abschneiden und Verbrennen der Haare (Hes 5,1-4). Gott befahl Hesekiel, dem Volk auch tragische Begebenheiten aus seinem persönlichen Leben auf diese Art und Weise zu vermitteln. Der Prophet erfuhr vom bevorstehenden Tod seiner Frau und Gott teilte ihm in dieser Situation mit, dass sein Verlust eine wichtige Botschaft, die das Volk hören musste, darstellen würde. Genauso wie es Hesekiel untersagt war zu trauern, durfte auch das Volk beim endgültigen „Tod“ Jerusalems nicht trauern. „Und so wird Hesekiel für euch ein Zeichen sein; ihr werdet genauso handeln, wie er gehandelt hat; und wenn es eintreffen wird, werdet ihr erkennen, dass ich GOTT, der Herr bin“ (Hes 24,24).
Hesekiel vermittelt seine Botschaft auf eindrückliche und einzigartige Weise. Er will dadurch den gewaltigen Gegensatz zwischen seiner klaren Botschaft, und der vorsätzlichen Ablehnung derselben durch das Volk veranschaulichen. Sein Dienst entzog jeder vermeintlichen Entschuldigung die Grundlage.
2. Besteht ein Widerspruch zwischen Hesekiel 18,1-20, wo die Verantwortlichkeit des Einzelnen bezüglich Sünde betont wird, und Hesekiel 21,6-12, wo Gott sowohl den „Gerechten wie den Gottlosen“ richtet (V. 9)?
Die spezifischen Umstände dieser zwei Passagen sind ziemlich unterschiedlicher Natur. Die Erste spricht von den persönlichen Folgen und der Verantwortung, die jeder in seinem Leben zu tragen hat. Keine Entschuldigung und kein „Schuld in die Schuhe schieben“ wird uns der persönlichen Verantwortung vor Gott entheben. Die Zweite behandelt die kollektiven Folgen, die ein Leben in einer gefallenen Welt mit sich bringt. Als Gott sich dazu entschloss, Babylon als Zuchtrute zu benutzen, tat er das im vollen Bewusstsein, dass sowohl der Gerechte, wie der Gottlose darunter zu leiden hätten. Die Gesellschaftszugehörigkeit einer Person kann bewirken, dass sie, ohne persönlich dazu beigetragen zu haben, Vorteile genießen oder unter Nachteilen, die die gesamte Gesellschaft betreffen, zu leiden hat.
Die Verse aus Hesekiel 18,1-20 zeigen auf, wie Gott prinzipiell handelt; schlussendlich wird nämlich jeder nach seinen Werken gerichtet. Jeder wird für seine Taten und sein Leben zur Verantwortung gezogen. Nur wer „in Christus“ ist, kann diesem Tag mit Hoffnung in die Augen blicken.
Kurzstudium / einige Fragen
- Hesekiel erhielt während seines prophetischen Dienstes einige besonders erinnerungswürdige Visionen. Welche?
- Wie beschreibt bzw. veranschaulicht Hesekiel Gottes Heiligkeit?
- Welcher Unterschied besteht zwischen den falschen Hoffnungen, die Hesekiels Zeitgenossen dem Volk verkaufen wollten, und der Verheißung auf Wiederherstellung, so wie er sie predigte?
- Wie lauteten die vernichtenden Gerichtsworte Hesekiels an die Führer Israels?
- Wie betont Hesekiel die Wichtigkeit der Anbetung?
Impressum
1. Auflage 2003
© 2001 by John MacArthur
Originaltitel: The MacArthur Quick Reference Guide To The Bible
Nelson / Word Publishing Group, Nashville
© der deutschen Ausgabe 2003
by CLV • Christliche Literatur-Verbreitung
Postfach 11 01 35 • 33661 Bielefeld
Internet: www.clv.de
Übersetzung: Martin Manten, Berlin
Lektorat: Claudia Kreutzer und Gabi Manten
Satz: CLV
Umschlag: Dieter Otten, Gummersbach
Druck und Bindung: Ebner & Spiegel, Ulm
ISBN: 3-89397-644-2