Das Buch Esra - Die Rückkehr aus dem Exil

John F. MacArthur

Gemäß der jüdischen Überlieferung spielte Esra bei der Zusammenstellung der alttestamentlichen Schriften, dem anerkannten Kanon der geschriebenen Offenbarung Gottes, eine zentrale Rolle.
Einige Menschen richten ihr Herz darauf, Gott gehorsam zu sein, und sie werden zu wahren Helden. Esra war so ein Mann. Sein Name spiegelt die historische Bedeutung der Zeit, in der er lebte, wider. Er bedeute „Der Herr hilft“ und ruft dem Leser dadurch immer wieder ins Gedächtnis, dass Gott derjenige war, der hinter den Kulissen dafür sorgte, dass sein Volk wieder ins verheißene Land zurückkehren konnte.

Autor und Abfassungszeit

Wahrscheinlich von Esra um ca. 457 bis 444 v. Chr. verfasst. Obwohl Esras Name erst im [[3]]. Kap. des Buches, das seinen Namen trägt, erwähnt wird, wurde er lange als der wahrscheinlichste Verfasser der beiden Bücher Esra und Nehemia angesehen. Die Perspektive, aus welcher dieses Buch geschrieben wurde, wird als ein starkes inneres Argument für die Verfasserschaft gewertet. Nach seiner Ankunft in Jerusalem wechselte er vom Schreiben in der dritten Person zur ersten Person (Esr 7,[[2]]). Wahrscheinlich verwendete er im ersten Teil die dritte Person, weil er aus seinen Erinnerungen schrieb. Esra wird für einen möglichen Autor der Chronikbücher gehalten. Es wäre für diesen Autor also ganz natürlich gewesen, die Geschichtsschreibung des Alten Testamentes fortzusetzen. Esra beginnt mit der fortlaufenden Chronik des sich im Exil befindenden Volkes Gottes. Babylon wurde soeben von der neuen Weltmacht Persien besiegt. Da Esra ein Zeitgenosse dieser geschichtlichen Ereignisse war, erscheint es nur natürlich, dass er im autobiographischen Stil darüber berichtet. Esra war ein Schriftgelehrter, der Zugang zu den unzähligen Urkunden, Briefen und weiteren offiziellen Dokumenten hatte, die in Esra und Nehemia erwähnt werden. Nur sehr wenigen Leuten wurde Zugang zu den königlichen Archiven des persischen Reiches eingeräumt, aber Esra gehörte offenbar zu diesen Auserkorenen und schöpfte diese Möglichkeit auch aus (vgl. Esr 1,2-4; 4,9-22; 5,7-17; 6,3-12; direkte Zitate aus offiziellen persischen Dokumenten). Esra wird auch als ein hingebungsvoller, fleißiger Student und gottesfürchtiger Führer dargestellt (Esr 7,10; Neh 8,1-9; 12,36).

Schlüsselpersonen im Buch Esra

  • Esra - Schriftgelehrter und Lehrer des Wortes Gottes, der eine religiöse Reform im Volk bewirkte; er führte die zweite Gruppe Exilanten von Babylon nach Jerusalem (Esr 7,10-10,16)
  • Kyrus - Perserkönig, der Babylon eroberte; unterstützte die Rückkehr des im Exil lebenden Israels in ihre Heimat (Esr 1,1-6,14)
  • Serubbabel - führt die erste Gruppe israelitischer Exilanten von Babylon nach Jerusalem zurück; vollendet den Wiederaufbau des Tempels (Esr 2,2-5,2)
  • Haggai - Postexilischer (nach dem Exil) Prophet, der Serubbabel und das Volk Israel ermutigte, den Wiederaufbau des Tempels fortzuführen (Esr 5,1-2; 6,14)
  • Sacharja - Postexilischer Prophet, der Serubbabel und das Volk Israel ermutigte, den Wiederaufbau des Tempels fortzuführen (Esr 5,1-2; 6,14) Darius I. - Perserkönig, der den Wiederaufbau des Tempels durch die Israeliten unterstützte (Esr 4,5-6,14)
  • Artaxerxes - Perserkönig, der Esra erlaubte, nach Israel zurückzukehren (Esr 7,1), um den Tempeldienst wieder einzuführen und das Gesetz zu lehren.

Hintergrund und Umfeld

Die Ereignisse im Leben des Volkes Israel müssen immer im Licht von Gottes Plan für sein Volk gesehen werden. Er erwählte es in ihrem Vorfahren Abraham. Er gab ihm ein Land. Gott hatte es mit dem Exodus aus der Sklaverei Ägyptens herausgeführt. Hunderte Jahre früher, vor den Ereignissen im Buch Esra, warnte Gott sein Volk: Wenn es sich entschließen würde, seinen Bund mit ihm zu brechen, wollte er zulassen, dass es wieder von anderen Nationen versklavt würde (Jer 2,14-25). Trotz der wiederholten Warnungen Gottes durch seine Propheten entschied das Volk, seinen Herrn zu verwerfen und fremde Götter anzubeten sowie die Gräuel zu verüben, die üblicherweise mit Götzendienst verbunden waren. Ungehorsam war quasi ihre Freizeitbeschäftigung Nummer eins. Getreu seiner Verheißung züchtigte Gott das halsstarrige Volk.

Im Jahre 722 v. Chr. deportierten die Assyrer die zehn Nordstämme und verstreuten sie über das ganze assyrische Reich. Mehr als ein Jahrhundert später, 605-586 v. Chr., bediente sich Gott der Babylonier, um Jerusalem in Schutt und Asche zu legen und zu einer fast menschenleeren Stadt zu machen. Gott züchtigte den Überrest seines Volkes mit 70 Jahren babylonischer Gefangenschaft. Kyrus, der Perser, stürzte Babylon im Jahr 539 v. Chr., und das Buch Esra beginnt mit dem Erlass des Kyrus, der ein Jahr später erfolgte, und den Juden erlaubte, nach Jerusalem zurückzukehren.

So wie es drei Phasen der Wegführung von Israel nach Babylon gegeben hatte (605 v. Chr., 597 v. Chr. und 586 v. Chr.), so gab es auch tatsächlich drei Phasen der Rückkehr nach Jerusalem, die über einen Zeitraum von neun Jahrzehnten verteilt waren. Serubbabel kehrte als Erster im Jahr 538 v. Chr. zurück. Ihm folgte Esra, der die zweite Rückkehr 458 v. Chr. anführte. Nehemia tat es ihnen dreizehn Jahre später, 445 v. Chr., gleich. Schließlich wurde auch der Tempel wieder aufgebaut, doch sowohl der Tempel wie auch das Volk waren im Vergleich zu ihrer einstigen Herrlichkeit nur noch ein Schatten.

Schlüssellehren im Buch Esra

  • Gottes Souveränität - Gott wachte über den Wegen Israels vom Zeitpunkt ihrer Deportation bis zu ihrer Rückkehr ins verheißene Land (Esr 2,1; 1Mo 50,20; Hi 42,2; Spr 16,1; Mt 10,29-30; Joh 6,37; Röm 8,28)

Gottes Wesen im Buch Esra

  • Gott ist gut (Esr 8,18)
  • Gott ist mächtig (Esr 8,22)
  • Gott ist gerecht (Esr 9,15)
  • Gott ist weise (Esr 7,25)
  • Gott ist zornig (Esr 8,22)

Christus im Buch Esra

Israels Rückkehr ins verheißene Land veranschaulicht die bedingungslose Vergebung, die letztendlich in Christus verborgen ist. Gottes bewahrende Hand über seinem Volk hielt den mit David geschlossenen Bund, d.h. seine Linie, aufrecht. Jesus, ein direkter Nachkomme Davids, würde dann zu einem späteren Zeitpunkt dem ganzen Land Errettung bringen.

Schlüsselworte im Buch Esra

  • Juden: Hebräisch yehudi (Esr 4,12.23; 5,1.5; 6,7-8,14) - stammt von einem Wort, das „loben/preisen“ oder „danken“ bedeutet. Jakob benutzte dieses Wort, um seinen Sohn Juda in 1. Mose 49,8 zu segnen: „Dich Juda, dich werden deine Brüder preisen“. Als Jude wurde bezeichnet, wer vom Stamm Juda war (4. Mo 10,14) oder wer als Israelit im geographischen Gebiet, das als Juda bekannt war, lebte (Jer 7,30). Während der postexilischen Zeitperiode bezog sich das Wort „Jude“ auf die Israeliten als Volksgruppe. Der Begriff „Jude“ wird auch im Neunen Testament benutzt. Jesus wird „König der Juden“ genannt (Mt 27,29). Paulus spezifizierte, wer ein echter Jude ist, und beschrieb ihn als einen „am Herzen beschnittenen“ Menschen (Röm 2,28.29).
  • Überrest: Hebräisch sha´ar (Esr 9,8.15) - wortwörtlich „verbleiben“ oder „übrig bleiben“. Das Wort Überrest beschreibt eine kleine Gruppe von Menschen, die eine Katastrophe, wie z.B. die Flut, überleben. In der Bibel beschreibt das Wort meistens den zahlenmäßig verminderten Rest des Volkes Israel, der das Exil überlebte (Esr 9,8). Bei den Propheten wird das Wort auch eingesetzt, um speziell diejenigen Israeliten zu beschreiben, die Gott treu geblieben sind (Am 5,14.15). Der Prophet Jesaja beschreibt, wie der Messias eines Tages den Überrest Israels aus allen Nationen sammeln wird, und dabei sogar einige Heiden zu sich zieht (Jes 11,10-11.16). Das Wort Überrest lenkt unseren Blick auf Gott, der auf Grund seiner Bundestreue sein Volk verschont und bewahrt. Durch die Bewahrung des Volkes Israel, wird die ganze Welt beim Kommen des Messias in den Genuss seines Segens kommen (1. Mo 12,3).

Gliederung

Die erste Rückkehr unter Serubbabel (Esr 1,1 - 6,22)

  • Der Erlass des Kyrus, nach Jerusalem zurückzukehren (Esr 1,1-4)
  • Schätze für den Wiederaufbau des Tempels (Esr 1,5-11)
  • Die Rückkehrer (Esr 2,1-70)
  • Die Errichtung des zweiten Tempels (Esr 3,1 - 6,22)

Die zweite Rückkehr unter Esra (Esr 7,1 - 10,44)

  • Esra kommt an (Esr 7,1 - 8,36)
  • Esra führt die Erweckung an (Esr 9,1 - 10,44)

Zur gleichen Zeit an einem anderen Ort auf der Erde …

Nachdem der Athener Cimon, Sohn des Miltiades, die Perser bei Salamis besiegt, kommen die persischen Kriege endlich zu einem Ende (490-449 v. Chr.).

Häufig auftauchende Fragen

1. Welche Bücher und Personen des Alten Testamentes berichten über die Rückkehr der Juden aus dem Exil und die damit verbundenen Umstände?

Fünf historische Bücher (1. und 2. Buch Chronik, Esra, Nehemia und Esther) entstanden während, oder berichten über die Ereignisse nach dem Exil. Drei prophetische Bücher (Haggai, Sacharja und Maleachi) stammen aus derselben Zeit. Oft wird der Begriff Postexil benutzt, um diese Bücher zu beschreiben.
Die Chronikbücher schildern eine Zusammenfassung der historischen Ereignisse. Sie wurden gegen Ende der Exilzeit verfasst. Esra und Nehemia halten die spannenden Begebenheiten rund um die Rückkehr Israels und den Wiederaufbau der Nation fest. Diese Zeit war auch mit vielen Prüfungen verbunden. Haggai und Sacharja waren während der in Esra 4-6 beschriebenen Zeit des Wiederaufbaus des Tempels als Propheten aktiv. Maleachi schrieb und prophezeite während Nehemias Abwesenheit (Besuch in Persien) (Neh 13,6). Obwohl der Zweck dieses Buches z.T. darin besteht, aufzuzeigen, wie Gott seinen Bund mit David und somit auch die königliche Linie aufrecht hält, verlagert sich der Schwerpunkt doch allmählich weg von den königlichen Angelegenheiten und konzentriert sich auf andere Diener Gottes. Ein Schriftgelehrter, ein Mundschenk und die verschiedenen Propheten entwickeln sich zu den zentralen Akteuren Gottes. Sogar Esther, die eine Königin war, musste sich zunehmend auf Gott, und nicht auf ihre königliche Position und Macht verlassen, um ihre gottgegebene Rolle als Beschützerin der Juden vor den Persern erfüllen zu können.
Alle diese Ereignisse zusammengenommen bilden den Hintergrund für die unterschiedlichen Erwartungen, welche die Geburt Jesu, die die Erfüllung des mit David geschlossenen Bundes und das Wirken Gottes in der Geschichte der Errettung darstellt, umgeben.

2. Wie lässt sich Esras Handhabung hinsichtlich der Mischehen und Scheidung in das gesamte Bild, das uns die Bibel zu diesem Thema präsentiert, einfügen?

Esra 9 und 10 schildern eine kritische Phase während der Wiederherstellung des jüdischen Volkes in ihrer Heimat. In den Jahren vor Esras Rückkehr aus Persien haben sich viele Juden auf Mischehen mit den Frauen der umliegenden Völker eingelassen. Man kann das nicht mit den Ehen, die Rahab und Ruth eingingen vergleichen, da sie sich zuvor bekehrt hatten. Die hier in Esra beschriebenen jüdischen Männer heirateten diese Frauen aber ungeachtet ihres heidnischen Hintergrundes. Diese Nachricht war eine von vielen, die Esra zu Ohren kamen, als er Jerusalem erreicht hatte.
In den Augen Esras war das eigentlich eine der schlimmsten Nachrichten. Mischehen haben in der Vergangenheit immer wieder dazu geführt, dass Israel tragische Niederlagen erlebte. Sie spielten eine Schlüsselrolle und waren letztendlich ein Ausdruck des puren Ungehorsams (Esr 9,3-4). Seine Trauer war offensichtlich und wirkte überführend. Schließlich gelangte das Volk selber zu der Einsicht, dass diejenigen, die sich auf eine Mischehe eingelassen hatten, sich von diesen heidnischen Frauen scheiden lassen mussten, sie „wegtun“ mussten. Gott hatte seine Meinung über Scheidung deswegen aber keineswegs geändert. Maleachi, ein Zeitgenosse dieser Ereignisse, berichtet, dass Gott Scheidung hasst (Mal 2,16).
Es gibt mehrere wichtige Punkte, die wir im Zusammenhang mit dieser Stelle in Esra festhalten wollen. Hier wird keine Norm hinsichtlich der Scheidungspraxis festgelegt. Man übersieht auch sehr schnell, dass, obwohl es sich hier um eine kollektive Entscheidungsfindung handelte, jede dieser Ehen individuell durchleuchtet und behandelt wurde. Wir können davon ausgehen, dass in Fällen, wo sich die Frau bekehrt hatte, eine andere Praxis angewandt wurde als in solchen, wo die Ehefrau Glaubensfragen als eine Verletzung des Eheversprechens betrachtete.
Anhand der demütigen Haltung bei den Schuldigen und der angewandten Vorsicht, wenn es darum ging, dieses Thema anzusprechen, erkennen wir einmal mehr Gottes wohlwollende Gnade und Barmherzigkeit. Eine strikte Anwendung des Gesetzes hätte für alle Beteiligten den Tod durch Steinigung bedeutet. Der Eifer, mit dem man versuchte, Dinge in Ordnung zu bringen, öffnete die Tür für eine Lösung des Problems; trotzdem konnte der Schmerz und die Traurigkeit einer Scheidung in manchen Fällen nicht vermieden werden.

Kurzstudium zum Buch Esra/einige Fragen

  • Was für eine Art Mensch war Esra?
  • Beschreibe die Gefühle, Eindrücke und Haltung der ersten Rückkehrer aus der Gefangenschaft, nachdem sie im verheißenen Land angekommen waren!
  • Welchen Widerstand bekam das Volk beim Versuch, Jerusalem und den Tempel wieder aufzubauen, zu spüren?

Impressum

1. Auflage 2003
© 2001 by John MacArthur
Originaltitel: The MacArthur Quick Reference Guide To The Bible
Nelson / Word Publishing Group, Nashville
© der deutschen Ausgabe 2003
by CLV • Christliche Literatur-Verbreitung
Postfach 11 01 35 • 33661 Bielefeld
Internet: www.clv.de 
Übersetzung: Martin Manten, Berlin
Lektorat: Claudia Kreutzer und Gabi Manten
Satz: CLV
Umschlag: Dieter Otten, Gummersbach
Druck und Bindung: Ebner & Spiegel, Ulm
ISBN: 3-89397-644-2

Erklärung der Farben

im Bibeltext

Blau Handeln Gottes
Blau Rede Gottes
Rot Betrift mein Leben
Grün

Verheißung / Versprechen

Grün Verheißung / Versprechen
Braun wichtig
Beige wichtig
Türkis Jesus
Gelb Heiliger Geist