Der Römerbrief
Der Römerbrief ist eine umfassende Darstellung der Bedeutung des Kreuzestodes des Herrn Jesus im Blick auf die Menschen aus allen Völkern der Welt. Er zeigt in Teil I zunächst, dass sowohl die Nicht-Juden, als auch die Juden ohne Ausnahme vor Gott schuldig sind. Im Anschluss daran wird die Befreiung von der Sündenlast und der Macht der Sünde im Menschen eindrücklich vor Augen gemalt (1-[[2]]). Obwohl Nicht-Juden und Juden ohne Unterschied als Sünder vor Gott stehen, hat Israel als irdisches Volk Gottes dennoch eine Sonderstellung auf dieser Erde. Deshalb wird in Teil II ausführlich über Gott Plan mit Israel gesprochen (9-[[3]]). Der Schluss (Teil III) zeigt, welche praktischen Auswirkungen die Erlösung im alltäglichen Leben des Gläubigen hat bzw. haben muss (12-16).
Verfasser und Adressaten
- Verfasser: Paulus (Röm 1,1)
- Schreiber nach dem Diktat des Paulus: Tertius (Röm 16,22)
- Adressaten: die Gemeinden in Rom (Röm 1,7; 16,5.14.15)
Ort und Zeit der Abfassung
- Korinth (vgl. Röm 16,1: Kenchräa, wenige Kilometer östlich von Korinth; Gastgeber Gajus [Röm 16,23] = Gajus aus Korinth [1. Kor 1,14]
- Auf dem Weg nach Jerusalem, um Kollekte aus Achaja und Mazedonien zu überbringen (Röm 15,25ff.30ff; Apg 19,12-22; 1. Kor 16,1-4; 2. Kor 8-9; Apg 24,17) ⇒ auf 3. Missionsreise, während dem Aufenthalt von 3 Monaten in Griechenland (⇒ Korinth; Apg 20,2ff) ⇒ ca. 57 n. Chr.
Grobstruktur
- Die Lehre des Heils in Christus (1 – 8)
- Israels Stellung im Heilsplan (9 – 11)
- Praktische Konsequenzen der Lehre des Heils (12 – 16)
Charakteristische Ausdrücke und Besonderheiten
- Eine juristische Darstellung des Evangeliums für die ans römische Rechtssystem gewohnten Römer
- Systematische Darstellung der grundlegenden Lehre des Heils, eine inspirierte Dogmatik
- Der Ausgangspunkt: Die Gerechtigkeit Gottes (Röm 1,17). Erst später wird über die Gnade (3,24), die Erlösung (3,24), das Blut Jesu (3,25), die Liebe Gottes (5,8), die Gnadengabe (6,23) etc. gesprochen.
- Der Römerbrief = Antwort auf alte Fragen der Menschheit
- Hi 9,2 und 25,4: „Und wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott?“
- Zur Rechtfertigung
- [jemand] rechtfertigen (griech. dikaioo) = jemand als gerecht erklären (nicht: gerecht machen, sondern jemand, der gerecht ist, als solchen hinstellen)
- Rechtfertigung aus Glauben: Röm 3,24.26.30; 4,5.25; 5,1.9.18
- Röm 5,1: „Da wir gerechtfertigt worden sind“ = griech. dikaiothentes = Part. Aorist; Aorist = punktuelle Handlung ⇒ Die Behauptung der Römisch Katholischen Kirche, dass die Rechtfertigung ein Prozess sei (durch das ganze Leben hindurch bis über den Tod hinaus im Fegfeuer) ist eine Irrlehre!
- „die Sünde“ = (ab 5,12) die von Adam an alle Nachkommen vererbte sündige Natur, die
sich als Hang und Trieb zum Bösen äussert, und zum Sündigen anreizt - „das Fleisch“ (Röm 7,5.18.25; 8,3 etc.) = die von Adam an alle Nachkommen vererbte sündige Natur, die sich als Hang und Trieb zum Bösen äussert, und zum Sündigen anreizt. Sie kennzeichnet die gesamte Menschheit, „alles Fleisch“ genannt, und bekam deshalb den Namen „das Fleisch“
- das Elend des Gläubigen, der die praktische Befreiung nicht kennt: Röm 7,7-25
- der überwältigende Reichtum der Erlösung: Röm 8
- der Triumph der Heilsgewissheit: Röm 8,1.37-39
- das Verhältnis des Christen zum Staat: Röm 13
- Kap. 14: Gläubige Juden und gläubige Nicht-Juden sollen zusammen in einer Versammlung miteinander zurechtkommen. ⇒ gegen eine Abschottung von messianischjüdischen Gemeinden von den übrigen Gemeinden Gottes
Der Römerbrief: Prozessakte gegen die Menschheit
- „Gott, der Richter aller“ (Heb 11,23), „der Richter der ganzen Erde“ (1Mos 18,25) sitzt auf seinem Richterstuhl
- Die ganze Menschheit ist im Gerichtsaal anwesend.
- Die Anklage wird vorgebracht und meisterhaft formuliert: 1,18-23
- Gegen die Menschen ohne schriftliche Gottesoffenbarung (1,18-2,16) § 2,1-16) Ein Ethiker aus dem Heidentum steht im Gerichtsaal mit verschränkten Armen auf: „Ich weiss dank meiner philosophischen Untersuchungen ganz genau, dass die Menschen böse handeln.“ Der Richter erteilt ihm einen scharfen, vernichtenden Verweis.
- Gegen die Juden, die Gottes schriftliche Offenbarung besitzen (2,17-3,4) § 2,17-29: Ein Jude steht im Gerichtsaal auf: „Ich bin ein orthodoxer Jude und kenne die Bibel durch und durch. Ich bin beschnitten und gehöre zum auserwählten Volk.“ Der Richter antwortet: „Umso schlimmer für dich. Du weisst so viel und bist dennoch ein so ungerechter Mensch!“
- Das vernichtende Urteil über die Menschheit & der Weg zur Rechtfertigung (3,5-31) § 3,5-8: Wieder steht einer im Saal auf: „Indem der Mensch sündigt, wird doch umso deutlicher wie gerecht Gott ist. Der Kontrast lässt Gottes Herrlichkeit erst recht aufleuchten. Deshalb sollte eigentlich kein Mensch gerichtet werden.“ Der Richter wird sehr scharf: „Jemand, der so widerliches Zeugs redet, hat das unbarmherzige Gericht verdient!“ § 3,9-31: Nun wird es ganz still im Saal. Keiner hat mehr etwas vorzubringen. Das vernichtende Urteil wird über die ganze Menschheit verkündigt,... doch im gleichen Atemzug wird der Weg zur Rechtfertigung vorgestellt!
- Die Begründung der Rechtfertigung anhand des AT (4,1-25) § 4,1-25: Das Urteil der Rechtfertigung wird begründet: Das Prinzip der Rechtfertigung durch Glauben ist nicht neu, sondern findet sich bereits im AT, z.B. bei Abraham und bei David.
- Gott wird gerühmt für die Rechtfertigung (5,1-11) § 5,1-11: Nach der Verkündigung des Urteils brechen Millionen von Menschen im Gerichtsaal in Jubel aus. Sie können das Wunder der Rechtfertigung kaum fassen!
- Es folgt eine zweite Gerichtssitzung, in der das Problem der sündigen Natur des Menschen behandelt wird (5,12-8,39). Auch hier weist der Richter den Ausweg: Rechtfertigung (6,7) und Befreiung von der Macht der Sünde (6,18). Die zweite Sitzung endet mit einem noch gewaltigeren Jubel von Millionen von Angeklagten (8,1-39).
Literaturhinweis
- H. Medema, Der Brief an die Römer, Bielefeld 1992 (CLV).
Impressum
Roger Liebi, 13.8.2004